Schneeschuhtouren mit Kurscharakter – 14/15.01.2017


Erste Veranstaltung der Sektion Karlsruhe für Schneeschuh-Bergsteiger/innen mit Erik Müller


Im Winter 16/17 nahmen sechs Teilnehmer unter der Leitung von Erik Müller an der Veranstaltung „Schneeschuhtouren mit Kurscharakter“ teil. Die Veranstaltung war die erste dieser Art, die in unserer Sektion durchgeführt worden ist. Konzeptionell steht dabei nicht nur das Naturerlebnis in den Bergen im Vordergrund, sondern auch die verantwortungsvolle Tourenplanung mit dem Ziel, Lawinenunfälle zu vermeiden.


08.12.2016: Sarah, Jeannine, Rosa, Mario, Achim, Steven und Thomas kommen zu einem Vorbereitungsabend im DAV-Kletterzentrum zusammen. Nach einer kurzen Kennlernrunde gibt Erik einen ersten Einblick in Lawinenkunde, und lehrt uns, wie man mit Hilfe von Lawinenlageberichten (LLB), „qualifiziertem Kartenlesen“, Snowcard, etc. das Risiko, sich in lawinengefährdete Bereiche zu begeben, einschätzen und minimieren kann. Wir lernen, dass die Tourenplanung bereits zu Hause beginnt, dass jedoch die Entscheidung, ob eine Tour oder ein Wegabschnitt wirklich sicher ist, nur im Gelände vor Ort getroffen werden kann. Des Weiteren gibt uns Erik eine kurze Einweisung, wie man mit Hilfe von Suchgerät, Sonde und Schaufel Lawinenopfer schnell orten und befreien kann.


So auf das Tourenwochenende eingestimmt treffen wir uns am Freitag, dem 13. Januar am Stadtmobil-Parkplatz am alten Schlachthof, um von hier gemeinsam die Fahrt nach Fischen im Allgäu anzutreten. Leider sind wir hier schon leicht dezimiert, denn wir treten die Reise ohne Steven an, der kurzfristig verletzungsbedingt absagen musste. Ansonsten ist dieser Freitag der 13. aber eher ein Glückstag für uns, denn nach gut 4 Stunden sind wir schon am Ziel, Pausen und Käsekaufen im Hofladen inklusive, und trotz heftigen Schneefalls im Allgäu. Nach dem Abendessen die Planung für den ersten Tourentag: „Haben alle den aktuellen LLB studiert?“. Blick auf die Landkarte: „Welche Gebiete kommen in Frage?“, „Wo sind lawinengefährdete Zonen?“, „Wo würde der Weg über steiles oder sehr steiles Gelände, oder durch potentielle Lawinenauslaufzonen verlaufen?“ „Wo sind Kontrollpunkte, an denen man die Situation vor Ort bewerten muss, um die Planung gegebenenfalls den Bedingungen anzupassen, z.B. die Tour abzukürzen?“. Gerätecheck: „Sind alle Suchgeräte geladen, und funktionieren sie im Such- und Sendemodus?“ Um 22.30 Uhr ist Bettruhe angeordnet, denn am nächsten Morgen gibt es schon um 7:15 Uhr Frühstück.


Der erste Blick aus dem Fenster am Samstagmorgen: 40cm Neuschnee seit Ankunft gestern Abend, und weiterhin kräftiger Schneefall. Die Radiosprecherin von Antenne Bayern empfiehlt: „Heute lieber zu Hause bleiben!“. Uns ficht uns das alles natürlich nicht an, im Gegenteil. Wir sind ja top vorbereitet, und bei Schneeschuhlaufen über kahle Hänge kommt schließlich auch keine Freude auf! – Mit dem Öffi-Bus geht es hinauf zum Riedbergpaß auf 1407m – Schneekettenpflicht! Oben Wind und dichtes Schneetreiben. Gerätecheck – los geht’s. Von Beginn an ist ordentlich Spurarbeit zu leisten, durch den hier noch lediglich knietiefen, frischen Pulverschnee. Zwischen den Bäumen des ersten Tourenabschnitts lässt der Wind merklich nach. Gute Bedingungen, um in einem etwas flacheren Bereich unsere erste Suchübung durchzuführen. „Da oben, ein Skifahrer! Was ist das? Eine Lawine, der Skifahrer ist drin! Ich sehe ihn noch, jetzt ist er verschüttet. Ganz hier in der Nähe muss er sein!“ – Nacheinander darf jeder einzelne von uns, ausgestattet mit Suchgerät und Sonde, den vergrabenen Rucksack suchen. Auf Geschwindigkeit kommt es hierbei auch an, nach 15 Minuten sind die Überlebenschancen des Verschütteten mit 90% noch recht gut, danach gehen sie rapide zurück.


Durch die märchenhaft verschneite Landschaft setzen wir unseren Weg zum Riedberger Horn (1787m) fort, wo die erste Überschreitung des Tages geplant ist. Ab 1600m verläuft der Weg zum Gipfel über einen Grat. Der Wind nimmt wieder deutlich zu, der Schneefall hört nie wirklich auf. Eine Spur weist uns auf den ersten paar 100m den Weg. Als die Spur aber plötzlich aufhört, fängt das Abenteuer richtig an! Durch zeitweise hüfttiefen Schnee kämpfen wir uns Meter für Meter den steilen Grat nach oben. Auch die Trainierteren in der Gruppe bringt das an ihre Grenzen, und wir müssen uns in kurzen Intervallen mit der Spurarbeit abwechseln. Als wir dem Gipfel schon sehr nah sind, können wir zum Glück über abgewehtes Gelände gehen, und uns wieder ein bisschen erholen. Der Aufenthalt ober ist nur sehr kurz. Der Wind fegt über die Kuppe hinweg, zentimeterlang hängen die Eiskristalle waagerecht am Gipfelkreuz und an den Wegweisern – und wachsen weiter. Wir steigen über den steilen Ostgrat ab, und befinden uns nach wenigen Hundert Metern im Windschatten des Berges. Gute Bedingungen für unsere Mittagspause, mit heißem Tee und einer kurzen Vesper im Stehen.


Bei unserer Tourenplanung hatten wir verschiedene Kontrollpunkte festgelegt, einen davon hier. Wie wollen wir die Tour von hier aus fortsetzen? Nicht einmal ein Drittel der geplanten Strecke haben wir um 13:30 Uhr zurückgelegt. Mit der nächsten Überschreitung am Großen Ochsenkopf (1662m) entfernen wir uns sehr viel weiter vom nächst möglichen Zielpunkt der Tour, und uns setzen uns ziemlich sicher ähnlichen Bedingungen wie hier aus. Schnell ist klar: Das ist heute nicht mehr zu schaffen! Stattdessen wählen wir eine Route, die uns über die Obere Mittelalpe (1384m) zurück zum Riedbergpaß führt. Der Abstieg ist purer Genuß! Der Schneefall hat etwas nachgelassen, und in überwiegend mäßig steilem, licht bewaldetem Gelände geht es durch tiefen, unberührten Schnee hinab zur Alpe, und über den Wirtschaftsweg zurück zum Ausgangspunkt. Auch vom Timing her haben wir Glück. Der Linienbus zurück nach Fischen steht wie bestellt schon zur Abfahrt bereit. Ohne in der Kälte warten zu müssen erreichen wir gegen 17:00 Uhr wieder unser Quartier.


Am Abend läuft die Routine zur Planung des zweiten Tourentages ähnlich wie gestern ab. Wir entscheiden uns für eine Tour im Kleinwalsertal von Hirschegg (1122m) zur Kuhgehrenspitze (1910m). Die Schneelage ist ähnlich wie gestern, aber ansonsten sind die Bedingungen in allen Belangen viel freundlicher. Größtenteils ist die Sicht sehr gut, über weite Strecken scheint die Sonne. Spurarbeit brauchen wir heute nicht zu leisten, das haben mehrere Skitourengruppen schon für uns erledigt. So reicht die Zeit bequem aus, um nach einer weiteren Lawinensuch-Übung am späten Vormittag, auch noch den Gipfel zu erreichen. Über Mittag zieht sich der Himmel wieder zu, und es schneit ganz leicht. Aber kurz vor 14:30 Uhr, auf den letzten Metern zur Spitze, kommt die Sonne wieder hervor. So können wir den 360°-Blick diesmal rundum genießen.


Auch dass sich manche Ski- und Schneeschuh-Bergsteiger nicht in allen Belangen völlig grün sind, erfahren wir heute. Die Frage wird aufgeworfen vom Führer einer Skitourengruppe: „Dürfen Schneeschuh-Bergsteiger Skispuren „kaputt“ treten?“ Erik hat dazu eine klare Meinung: „Wem die Spur nicht gefällt der macht sich eine neue. Und gestern am Riedberger Horn sind die nachfolgenden Skitourengruppen auch lieber in unserer Spur gelaufen“.


In diesem Sinne freuen wir uns alle schon sehr auf’s nächste Mal. Allein mit Freunden, und gerne auch wieder in der Gruppe. Mir hat das Schneeschuh-Bergsteigen auch vorher schon sehr viel Spaß gemacht. Aber seit diesem Wochenende werde ich mich dabei auf jeden Fall sicherer in winterlichen Berglandschaften bewegen, und meine neu erworbenen Kenntnisse in die Vorbereitung der nächsten Touren einfließen lassen. Und ob ich nochmals ohne Suchgerät, Sonde und Schaufel ins steile Gelände los marschiere? Eher nicht!


Wir, die Teilnehmer der ersten „Schneeschuhtouren mit Kurscharakter“ freuen uns, wenn diese Veranstaltung wiederholt bzw. fortgeführt, und das Angebot für Schneeschuh-Veranstaltungen in der Sektion insgesamt ausgeweitet wird. Schneeschuh-Bergsteigen ist eine Form des Bergsteigens im Winter, die auch derjenige praktizieren kann, der das Skifahren im freien Gelände nicht beherrscht. Das trifft außer Erik, der sich in manchen Momenten sicher seine Ski unter den Füßen gewünscht hätte, auf uns alle zu. Und wir vermuten, dass wir damit nicht ganz allein sind ...


Thomas Donner


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